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Sozial-ökologisch umsteuern statt mehr Steuern

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11.12.2018, Berlin: Mit seiner durchwachsenen klimapolitischen Bilanz taugt Deutschland derzeit kaum mehr zum Vorreiter. Was vor allem fehlt: ein klares Preisschild für CO2-Emissionen, das klimafreundliches Verhalten bei Verbrauchern und Herstellern anreizt. Was sind die Erfolgsfaktoren für eine effektive CO2-Bepreisung in Deutschland?

Die Autoren: Constanze Haug, Johannes Ackva, Toby Bernstein, Alexander Eden und Andreas Schneller

Die deutsche Klimabilanz sieht zum Auftakt der Klimakonferenz in Katowice alles andere als rosig aus: Deutschland verfehlt seine Klimaziele 2020, ein Datum für den Kohleausstieg fehlt und auch das angekündigte Klimaschutzgesetz der Bundesregierung steht noch auf wackeligen Füßen.

Dabei sind sich Fachleute einig, was effektiv und kosteneffizient Abhilfe schaffen könnte: ein klares Preissignal für CO2-Emissionen. Zurzeit fallen Steuern und Abgaben auf Kraftstoffe und Heizstoffe unabhängig vom Klimaschaden an. Dagegen würde eine CO2-Steuer (oder eine CO2-Komponente in der Besteuerung) Preise mit Klimaschäden verknüpfen und auf diese Weise ein klares Preissignal an Hersteller sowie Konsumenten in verschiedenen Sektoren senden.

Daher überrascht es kaum, wenn Klimaökonom Ottmar Edenhofer und Wirtschaftsweiser Christoph Schmidt aktuell mit Ihrem Vorschlag für eine CO2-Steuer in Deutschland breite Aufmerksamkeit erhalten. Gleichzeitig zeigen die Demonstrationen der „gelben Westen“ in Frankreich, welchen sozialen Sprengstoff Steuererhöhungen im Verkehrsbereich bergen und wie sensibel die Politik hier vorgehen und kommunizieren muss.

Aus den Erfahrungen anderer Länder lassen sich vier Erfolgsfaktoren ableiten, wie CO2-Bepreisung politisch durchsetzbar wird, effektiv ist und gleichzeitig die soziale Balance erhält:


1) Ein behutsamer Einstieg mit einem moderaten Steuersatz, der sich sukzessive erhöht.
Klimaschutz-Champion Schweden erhob bereits 1991 eine CO2-Steuer, anfangs mit einem Steuersatz von etwa 20 EUR je Tonne. Nach mehreren Erhöhungen zahlen die Schweden heute für fast alle fossilen Energieträger, die nicht dem Emissionshandel unterliegen, mit rund 120 EUR pro Tonne den höchsten Kohlenstoffpreis der Welt. Ein moderater Einstiegsatz schaffte politische Akzeptanz und ermöglichte Industrie sowie Verbraucherinnen und Verbrauchern, ihr Investitionsverhalten anzupassen.

Für die Wirksamkeit der Steuer gibt es klare Indizien: In Schweden hat sie maßgeblich dazu beigetragen, dass das EU-Mitglied heute die niedrigste CO2-Emissionsintensität (CO2-Emissionen gemessen am BIP) und die zweitniedrigsten Pro-Kopf-Emissionen in Europa hat. Während die Emissionen in Schweden seit 1991 um 26 Prozent gefallen sind, ist das Bruttoinlandsprodukt um fast 90 Prozent gestiegen. Insgesamt verbraucht eine Schwedin dabei heute nur etwa halb so viel wie eine Deutsche; ein selten klares Beispiel also für die so oft beschworene und dringend notwendige Entkopplung von Wirtschaftswachstum und Klimaschaden.


2) Eine breite Anwendung der Steuer unter Einschluss verschiedener Sektoren
Die breite Anwendung der CO2-Steuer ist dabei besonders wichtig für die Zukunft. Wenn Elektroautos und strombasiertes Gas zukünftig eine wichtige Rolle spielen (die sogenannte Sektorkopplung), dann müssen die Preissignale für CO2 angeglichen werden, damit Verzerrungen zwischen verschiedenen Sektoren nicht das Finden effektiver Minderungsoptionen erschweren. Schließlich ist es dem Weltklima egal, ob  eine Tonne CO2 im Verkehr, beim Heizen oder in der industriellen Produktion entstanden ist.


3) Umsteuern statt mehr Steuern
In Schweden wurde die Einführung sowie spätere Erhöhungen der CO2-Steuer häufig mit Senkungen von Einkommens- und anderen Energiesteuern verknüpft, so dass eine Nettomehrbelastung der schwedischen Bürger vermieden wurde. Ganz ähnlich war das Vorgehen in der kanadischen Provinz British Columbia. Mit Einführung der CO2-Steuer 2008 wurde gleichzeitig die Einkommenssteuer für Geringverdiener und für Unternehmen gesenkt. Umfragen zeigen, dass dieses Prinzip der Aufkommensneutralität dafür gesorgt hat, dass die Zustimmung für die Steuer über die Zeit deutlich gestiegen ist.


4) Besonderes Augenmerk auf die soziale Verträglichkeit
Aktuell rückt in der deutschen Debatte immer stärker die sozialverträgliche Gestaltung einer CO2-Steuer in den Vordergrund. Im Zuge der Energiewende wurden wiederholt zahlreiche Vorschläge diskutiert, wie soziale Belange bei der Verwirklichung der Klimaziele berücksichtigt werden können. Die Debatte entzündete sich vor allem an der Frage, welche Kosten private Haushalte tragen sollen und wie die von der Bundesumweltministerin beschriebene “rote Umweltpolitik” aussehen kann.

Die Erfahrungen der Vorreiterländer geben auch hier die Richtung vor: In der Schweiz kommen die Einkünfte der CO2-Bepreisung durch die Rückverteilung der Einnahmen über die Krankenversicherung direkt allen Bevölkerungsteilen zu Gute. Und auch die schwedische Regierung setzt Teile der Einnahmen aus der CO2-Steuer für die Senkung der Steuerbelastung niedriger und mittlerer Einkommen ein.

 

Neuer Schwung für die deutsche Klimapolitik
Die Zeit drängt für die Rückkehr zu effektivem und effizientem Klimaschutz in Deutschland. In den letzten neun Jahren haben sich die Treibhausgas-Emissionen in Deutschland kaum verändert und sind im Verkehr und bei Haushalten sogar wieder gestiegen. Deutschland wird nicht nur sein nationales Klimaschutzziel für 2020 nicht erreichen, sondern vermutlich auch die EU-Vorgabe für die Sektoren, die nicht dem Emissionshandel unterliegen (und somit sinnvoll besteuert werden könnten). Zeit also, nach vorne zu blicken und Maßnahmen zu ergreifen, damit die Ziele für 2030 sicher erreicht werden können. Ein klarer CO2-Preis durch eine Kohlenstoff-Steuer würde dazu beitragen, diesen Weg zu einer zuverlässigen Klimapolitik zu ebnen, die nicht nur unserer Welt dient sondern, bei passender Ausgestaltung, auch sozial gerecht für alle Bürgerinnen und Bürger sein kann.
(Quelle: https://www.adelphi.de/de/im-fokus/sozial-%C3%B6kologisch-umsteuern-statt-mehr-steuern)

 

Pressekontakt
Christopher Stolzenberg, Head of Communications

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11.
Dezember
2018