Seit zwei Jahren ist Jannis Haack Geschäftsführer des Kompetenznetzwerk dezentrale Energietechnologien e. V. (deENet), das die Energiewende in Nordhessen vorantreiben will. Der Verein bündelt wichtiges Know-how zum Ausbau der erneuerbaren Energien und leistet Projekt- und Netzwerkarbeit in der Region. Am 20. und 21. November richtet deENet gemeinsam mit sieben Partnern das „Zukunftsforum Energiewende – Den Wandel aktiv gestalten“ in Kassel aus, zu dem mehr als 500 Teilnehmer erwartet werden und das als wichtigstes Treffen zur bürgernahen und kommunalen Energiewende in Deutschland gilt.
Herr Haack, was muss in Kassel geschehen, damit Sie am 22. November sagen: „Das Zukunftsforum Energiewende war ein voller Erfolg.“?
„Bring Deine Energie für den Wandel ein!“ Unter diesem Motto kommen Teilnehmer aus ganz Deutschland nach Kassel und werden über ihre Ideen und Ansätze zum Ausbau der Erneuerbaren Energien berichten. Unter anderem stellen die fünf Besten, von der Agentur für Erneuerbare Energien (AEE) ausgezeichneten, „Energie-Kommunen“ ihre Erfolgsstrategien der letzten zehn Jahre vor. Das Zukunftsforum Energiewende ist ein Kongress von der Praxis für die Praxis. Insofern ist die Veranstaltung ein Erfolg, wenn sich viele Akteure aus unterschiedlichen Bereichen über gewonnene Erfahrungen zur Energiewende austauschen und gelungene Praxisbeispiele in die Breite tragen.
Das deENet sieht sich als Impulsgeber. Welche Impulse wollen Sie mit dem Kongress setzen?
Wichtig ist uns die Relevanz von Kommunen und Regionen für eine erfolgreiche Umsetzung der Energiewende zu betonen und zu zeigen: Der Ausbau der Erneuerbaren Energien findet in den Kommunen statt. Kommunen sind nah an der Umsetzung und nah am Bürger und können diesen mit einbeziehen. Dadurch nehmen sie eine besondere Rolle etwa für die Akzeptanz ein. Die Energiewende kann also auch als partizipativer Prozess gestaltet werden, in einem Bottom-Up-Verfahren. Wir sehen es hier vor Ort ganz konkret: Wenn wir die Bürgerschaft in Vorhaben mit Einbinden, zum Beispiel indem Genossenschaften beteiligt werden, dann ist die Akzeptanz gegeben. Diese Erfahrungen wollen wir weitergeben.
Wird die Rolle der Kommunen für die Energiewende und insbesondere für die Akzeptanz von der Bundespolitik unterschätzt?
Meines Erachtens ja. Über die großen Pläne und Politiken wird oftmals außer Acht gelassen, dass die Umsetzung auf lokaler und kommunaler Ebene stattfindet. Die Bürger sollten in den Ökostromausbau und im Zuge der regionalen Energiewende eingebunden und beteiligt werden. Oftmals fehlt es einfach an praktischen, niedrigschwelligen Unterstützungsangeboten vor Ort, um die Kommunen bei diesen Herausforderungen zu unterstützen.
Was können Kommunen und Gemeinden in diesem Zusammenhang mehr für die Energiewende tun?
Genau das ist die Schwierigkeit aber auch das Spannende bei der Energiewende: Es gibt kein Schema F, welches auf alle Kommunen angewendet werden kann. Generell ist die Energiewende an sich eine Herkules-Aufgabe und für viele Kommunen eine besondere Herausforderung. Gleichzeitig bietet die Energiewende aber auch ganz neue Möglichkeiten. Wir müssen die Chancen der Energiewende betonen und Kommunen ganz individuell dabei unterstützen, die vorhandenen Potentiale vor Ort zu (er)kennen und zu nutzen. Gerade für strukturschwache Regionen bieten sich viele Vorteile und die Wertschöpfung kann in der Region verbleiben.
Wie kann das vor Ort konkret gelingen?
Ich tue mich schwer ein Allheilmittel zu benennen, eine Blaupause, die auf jede Kommune angewendet werden kann. Das glaube ich, gibt es nicht. Jedes Mal sollte geprüft werden: Was gibt es für Gegebenheiten vor Ort, was können wir erreichen, welche Möglichkeiten gibt es für Photovoltaik- oder Windkraftanlagen, sind Bürgerinitiativen aktiv, die wir unterstützen und einbinden können oder kann man bei der Gründung einer Energiegenossenschaften helfen. Genau an dieser Stelle möchten wir das Zukunftsforum in Kassel als die zentrale Plattform für Erfahrungsaustausch, Information und Vernetzung im Bereich der regionalen Energiewende etablieren und eine Bandbreite an Möglichkeiten und Ideen aufzeigen. Damit sich Kommunen, Entscheider und Bürger Anregungen auf der Veranstaltung holen und entdecken können, was für sie und ihre Region passen könnte.
Welche Regionen sind wichtiger für die Energiewende in Deutschland, kleine Gemeinden oder große Städte?
Das kann ich nicht pauschal festlegen. Im ländlichen Raum gibt es sicher große Potentiale. Hier liegen die notwendigen Flächen für den Ökostromausbau. Ländlichen Regionen stehen schon jetzt ganz weit vorne was die Erzeugung von Strom aus erneuerbaren Energieträgern angeht. Auf der anderen Seite gibt es in Städten beispielsweise die Möglichkeit von Quartierskonzepten oder Sharing-Modellen mit Elektroautos. In Großstädten wie Hamburg oder Berlin ist das teilweise bereits gelebte Praxis, im ländlichen Raum ist Car-Sharing dagegen immer noch eine große Herausforderung. Kooperationen zwischen Kommunen, insbesondere zwischen Stadt und Land, werden in Zukunft stärker gefragt sein.
Ein Forum in Kassel ist mit „Hoffnungsträger Energiegenossenschaften?!“ überschrieben. Können Energiegenossenschaften angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen rund um die Ökostrom-Ausschreibungen überhaupt als Hoffnungsträger gelten – selbst wenn sie es wollten?
Die Rahmenbedingungen haben sich mit der Einführung des Ausschreibungsmodells tatsächlich sehr erschwert. Ich würde nicht sagen, dass Genossenschaften die einzigen Hoffnungsträger sind, alle müssen an einem Strang ziehen. Dennoch spielen Genossenschaften eine wichtige Rolle um Beteiligungsmöglichkeiten zu bieten und die Akzeptanz für die Energiewende zu stärken. Viele sprechen in diesem Zusammenhang – und das gefällt mir ganz gut – von einer Demokratisierung der Energiewende.
Beobachten Sie eine Verschiebung der Geschäftsmodelle von Energiegenossenschaften?
Ich sage nicht, dass die Beteiligung an Wind- oder Solarparks vom Tisch ist, aber es rücken verstärkt auch andere Möglichkeiten in den Fokus. Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter arbeiten dazu aktuell an einem vom Bundesumweltministerium geförderten Projekt. Zusammen mit der Universität Kassel und dem Deutschen Genossenschafts- und Raiffeisenverband DGRV berät deENet deutschlandweit Energiegenossenschaften zur Entwicklung neuer Beteiligungs- und Geschäftsmodelle. Je nach Gegebenheit vor Ort gibt es unterschiedliche Ansätze, zum Beispiel Mieterstrom, Car-Sharing oder Nahwärmenetze. Die Möglichkeiten sind da!
Das Interview führte Clemens Weiß, Redaktion energiezukunft
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